@ Jessy: Dies hier ist mein persönliches Statement zum Thema Pferd, Offenstall und Reiten im Winter und hat keinerlei persönlichen Bezug zu Dir. Ich setze es lediglich unter deinen Eintrag, weil das Thema gerade so schön "aktuell" ist (als wenn nicht jedes Jahr Winter wäre).
Vielleicht fangen wir mal am besten damit an: Was genau ist eigentlich ein Offenstall und was genau bedeutet Offenstallhaltung. Beim Offenstall handelt es sich um einen Stall, der a)ein "Kaltstall" ist (was bedeutet es herrscht drinnen so in etwa die gleiche Temperatur wie draussen) und b)der den Pferden jederzeit zugänglich ist und nach freiem Ermessen betreten und verlassen werden kann. Stall an sich bedeutet: ein festes, Wind- und Wetter geschütztes Gebäude mit ausreichend Platz und Luftraum pro Pferd (hier gibt es offizielle Berechnungsformeln, mit der klassischen "Widerrist x2 im Quadrat"- Fläche liegt man aber auf jeden Fall richtig), der sowohl Liegeflächen wie auch Aufenthaltsflächen bietet und eine mindest Deckenhöhe aufweist, um die Luftzirkulation zu gewährleisten.
Eine Offenstallanlage ist also eine Einrichtung mit besagtem Stallgebäude, einem befestigtem frei zugänglichen Auslauf in entsprechender Größe davor und angrenzenden Weideflächen.
Offenstallhaltung bedeutet: Das Pferd wird in einem Offenstall so gehalten, dass es den klimatischen Gegebenheiten angepasst leben kann ohne gesundheitlichen Schaden dadurch zu nehmen.
Da sich das Pferd den Jahreszeiten anpasst, beginnt es in unseren Breitengraden beizeiten (ab ca. September) damit sein Winterfell zu entwickeln, was es dann bis ca. Mai behält. Will man nun ein solches Offenstallpferd ganzjährig nutzen, muß man dafür Sorge tragen, dass dies mit der Haltungsform in Einklang steht. (Und nicht ab November anfangen rumzujammern, den Pferden Löcher ins Fell scheren oder sie urplötzlich komplett ihres fertig entwickelten Haarkleides berauben.) Dazu fängt man spätestens im September an, das Pferd komplett und ständig einzudecken um die körperliche Umstellung auf "Winterbetrieb" zu verhindern. Trotzdem muß so ein Pferd dann nach der Nutzung sehr sorgfältig wieder an den Ruhezustand herangeführt werden und sollte erst nach erfolgter Trocknung der Haut wieder mit der normalen Winterstalldecke in den Offenstall entlassen werden.
Gleiches gilt dementsprechend verschärft für Fälle, wo das Pferd trotz Winterhaarkleid genutzt wird. Erst wenn die Haut völlig trocken ist und der Klimaschutz wieder hergestellt, kann das Pferd unbeaufsichtigt in den Offenstall entlassen werden. Da Schweiß viele Salze enthält, trocknet (verdunstet) er langsam. Je kälter die Aussentemperatur , umso langsamer. Dies verlangt nun, den Schweiß so effektiv und schnell wie möglich von der Pferdehaut zu entfernen um eine Auskühlung zu vermeiden.
Dazu haben sich, je nach Möglichkeiten vor Ort, mehrere Varianten bewährt. 1)Die beste: Den Schweiß mit klarem, körperwarmen Wasser ausspülen, das Wasser gründlich abstreifen und das Pferd an einem geeigneten, temperierten Ort, zum Trocknen aufstallen (z.B. Solarium ect) 2)In mehreren Stufen wird mittels Schichtverfahren (saugende Einstreu, Stroh, darüber Abschwitzdecke) der Schweiß aus dem Fell gesaugt und nach aussen abtransportiert. Hierzu müßen die Abschwitzdecke und die Saugunterlage je nach grad der Ausdünstung mehrmals gewechselt werden. Nach erfolgter Trocknung wird das Fell gründlich gebürstet, damit es seiner Schutzfunktion wieder nachgehen kann. 3) eine Mischung aus beiden Methoden: Die am stärksten verschwitzten Stellen werden mit einem Eimer Warmen Wasser und einem Schwamm vom Schweiß befreit, diese Stellen verstärkt vorgetrocknet und dann zur weiteren Komplettrocknung wie bei Punkt 2 verfahren.
In allen Fällen muß darauf geachtet werden, das Pferd während der Abkühl- und Trocknungsphase zugfrei aufzustellen. Dies kann im Einzelfall also dazu führen, dass der Reiter/ Besitzer die gleiche Zeitspanne, die er mit der Nutzung des Pferdes verbringt, auch in die Reaklimatisierung an die Haltungsform einkalkulieren muß. Auf gut Deutsch: Hat man keine zugfreie Box, muß man eben mit seinem verschwitzten Pferd im Offenstallgebäude verweilen, bis es trocken ist.
Um also mal Zusammenzufassen: 1. Ein matschiger Paddock mit einer zugigen 20 qm großen Holzhütte für 8 Pferde ist kein Offenstall. 2. Das Pferd hat nicht darum gebeten vom Menschen als Nutztier betrachtet zu werden. Wer also sein Pferd reitet, fährt ect. hat auch dafür Sorge zu tragen, dass es dabei Gesund bleibt. 3. Artgerechte Tierhaltung (das Pferd ist ein Bewegungstier und auf Frischluft angewiesen) setzt mehr Zeit- und Arbeitsaufwand vorraus. Wer nicht gewillt ist, diesen vermehrten Aufwand je nach Jahreszeit zu erbringen oder sich durch Bezahlung erbringen zu lassen, sollte evtl. im Sinne der ethischen Grundsätze der Reiterei lieber auf ein mechanisches Sportgerät zurückgreifen. 4. Alle die der Meinung sind, dieser Aufwand wäre völlig übertrieben, sollten zwangsweise zwischen Oktober und März für 3 Stunden in nassgeschwitzer Bekleidung vor die Türe gesperrt werden. Und das 3 mal die Woche.
5. Um das klarzustellen: Ich plädiere hier nicht dafür, Pferde nicht zu nutzen, sondern ich plädiere dafür, auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass man sie nutzt.
Wer will, findet Lösungen - wer nicht will, findet Gründe.
Grüßung Renate
credendo vides !
| |